tl;dr: Rationales Abwägen der persönlichen Risikosituation sowie der möglichen Schadenhöhe ist sinnvoller als ein emotionaler Verkaufsprozess.

Die meisten Versicherer bei Verstand setzen den Fokus ihrer werblichen Aussagen auf die zu schützenden Objekte. Das Haus, das Auto, die Familie. So lässt sich viel leichter ein angenehmes Verkaufsgespräch starten, als wenn man bereits mit dem Säbel gerasselt und die brutalsten Unfallbilder aus dem Giftschrank geholt hätte. "Sehen Sie hier? Bein ab. Keine schöne Sache. Aber 120.000 Euro aus der Unfallversicherung bekommen. Auch irgendwie geil, oder?"

Das sieht dann so aus:

  • Generali Krankenzusatzversicherung -> "Der zusätzliche Gesundheitsschutz für gesetzlich Versicherte"
  • Axa Unfallversicherung -> "Ein sicheres Leben, das versichern wir Ihnen"
  • Allianz Risikolebensversicherung -> "Optimaler Schutz für Ihre Familie"
  • Ergo Wohngebäudeversicherung -> "Der richtige Schutz für Ihre vier Wände"

Achso, "Schutz", "Sicherheit", "BlaBla". Versicherungen schützen Sie oder Ihre vier Wände nicht. Versicherungen sind keine Bodyguards und keine Brandschutzmaßnahmen. Sie sorgen nur etwa dafür, dass das Haus nach einem Feuer wieder aufgebaut werden kann. Es legt sich auch kein blau schimmernder schützender Schleier um Sie und Ihr Hab und Gut, denn die Risikosituation ist mit und ohne Versicherung die gleiche. Nur eben einmal mit größeren direkten oder indirekten finanziellen Folgen für Sie und einmal mit weniger bis gar keinen.


Alles doof

Da eine Versicherung naturgemäß eigentlich nur mit negativen Ereignissen im Leben eines Menschen zu tun hat, fällt die Kommunikation also schwer. Der Umgang mit positiven Werbebotschaften ist auch erstmal nicht ungewöhnlich. Das Problem ist, dass sich der Startpunkt eines solchen Beratungs- bzw. Verkaufsgesprächs auf einer eher emotionalen Ebene befindet. Und der Versicherungsvertrieb wird i.d.R. auch keine Anstalten machen, diese Ebene zu verlassen. Wenn es ganz schlecht läuft, dann werden dem Kunden in dieser faktenarmen Situation (unnötige) Servicebausteine oder Assistanceleistungen vermittelt, die günstig für den Versicherer sind, aber teuer für ihn. Dabei werden oft von externen Dienstleistern Leistungen wie ein Fahrdienst zur ReHa in der Unfallversicherung, ein Einkaufsservice, eine "psychologische Unterstützung" oder eine "Pflegeberatung" vermittelt. Oder der Werkstatt-Service bei der Kfz-Versicherung, der eigentlich eine Werkstattbindung ist. Im Grunde jeder Leistungsbaustein, den man so anhaken kann und der das Wort "Service" als Bestandteil hat, sollte zumindest einmal höflich hinterfragt werden.

Broschüren, Flyer und Leistungsübersichten mit allem, was das Fotoarchiv so hergibt (fitte Senioren, glückliche Paare, lachende Kinder, ...), werden also gesichtet und der Kunde dann "geschützt", also versichert, entassen. Danach schauen sich die wenigsten Kunden das Produkt jemals wieder genauer an. Oder anders ausgedrückt: Wer mit einem guten Gefühl aus einer Beratung herausgeht, ist nicht zwangsläufig auch gut versichert.


Es kann etwas passieren...

Das Schöne bei Versicherungen ist, dass die wirklich spürbaren Schaden- bzw. Leistungsfälle sehr selten sind. Im Zweifelsfall wird der Kunde also nie erfahren, ob er jetzt verhältnismäßig gut oder schlecht versichert war. Der Deckungsumfang des Versicherungsprodukts wird in der Realität eher selten geprüft. Der Kunde weiß nur, dass er so eine Versicherung hat. Das Thema ist damit erledigt.

Bei einer Versicherung geht es aber um Statistiken, um Schaden- und Leistungswahrscheinlichkeiten, um die Güte der Bedingungen (also auch wieder Wahrscheinlichkeiten) und um eine nachhaltige Prämienkalkulation. Und natürlich um die Frage, wie viel Prämie man für wie viel Deckungsumfang eintauschen kann, um möglichst viele Schaden- und Leistungsfälle in einer ausreichenden Absicherungshöhe versichert zu haben. Die Aufgabe der Versicherer ist es dann, die hineinkommenden Prämien und die herausgehenden Leistungen auszubalancieren. Unsere Aufgabe ist es, die Prämien mit dem gebotenen Deckungsumfang der Produkte am Markt mit Blick auf die Schaden- und Leistungsstatistiken zu überprüfen, ins Verhältnis zu setzen und unseren Kunden eine Empfehlung auf Basis ihrer Risikosituation zu geben.


... ist aber unwahrscheinlich

Was bleibt abschließend zu sagen? Konzentrieren Sie sich ruhig einmal auf die Fakten, das "Was wäre, wenn?", also auf die möglichen Schadenfälle. Die wirklich fiesen Dinge, die ihnen so widerfahren könnten. Wäre das versichert? Und jenes? Statistisch gesehen, bleiben Sie mit großer Wahrscheinlichkeit ohnehin verschont und es ist daher ein recht gefahrloses Gedankenexperiment. Hier muss also eigentlich gar nichts von Werbebroschüren oder Verkäufern weggelächelt werden.

Denn: Versicherungen machen das Leben nicht schöner, aber manchmal, also im Schaden- bzw. Leistungsfall, etwas weniger beschissen.