tl;dr: Neue Technologien bei Versicherungen kann man auch nüchterner betrachten, als es die Hype-Artikel der Branchenmagazine vermuten lassen. Wir machen das einmal.

Wir als Versicherungsmakler tummeln uns jeden Tag auf diversen Nachrichtenseiten für die Versicherungsbranche. Und fast jeden Tag lesen wir von jungen Unternehmen, die mit oder ohne Kooperation mit einer alteingesessenen Versicherung die Welt... äääh Marktherrschaft ausrufen - meistens mit, da ja irgendwer der Risikoträger sein muss. Bevor wir als kleiner zynischer Versicherungsmakler traurig unser Firmenschild abschrauben und das Gewerbe abmelden, weil wir gegen die hippen Disruptoren chancenlos sind, schauen wir uns den Kram also mal an und sehen nach, was dahintersteckt. Im ersten Teil der Artikelserie aber nur ein paar allgemeine Worte:

Bewältigungsstrategie: Resigniert amüsiertes Augenrollen

Ja, ich weiß. Klingt nicht gerade neutral und unvoreingenommen, mh? Bin ich, Jan Voss, auch irgendwie nicht mehr. Seit Monaten gehen mir die gängigen Branchenmagazine mit abgeschriebenen Pressemitteilungen von irgendwelchen Unternehmen auf den Keks. Kritisch hinterfragen? Nee. Überhaupt mal nachsehen, was im Angebot ist und wie es funktioniert? Neeee. Die Überschrift muss so sein, dass möglichst viele Klicks generiert werden. Und das funktioniert am besten mit Übertreibungen. Also melde ich mich bei jedem dieser vorgestellten Unternehmen an und schaue nach, was für Dienstleistungen und Produkte so angeboten werden. Ich vermute ja, dass da keiner so wirklich das Rad neu erfunden oder das Wohl des Kunden im Sinn hat... Aber ey, ich lerne ja gerne dazu. Sehen wir meine negative Grundeinstellung und die Hype-Artikel der Branchennachrichten, die ich bei jedem neuen Beitrag dieser Serie verlinke, also als zwei gesunde Gegenpole. Die Wahrheit ist nicht nur irgendwo da draußen, sondern liegt wohl auch irgendwo dazwischen.

Ach so, wieso ich das überhaupt hier schreibe? Naja, erstmal als eine Art Therapie. Schreiben befreit ja auch immer etwas. Und wenn einem unserer Kunden oder Noch-Nicht-Kunden *zwinker* durch die Artikelserie etwas klarer wird, dass wir unseren Beruf ernst nehmen... umso besser.


Halt! Stop! vs. Digital ist besser!

Starten wir einmal mit dem Allgemeinen. Etwas weniger "binary thinking" wäre in der Branche wünschenswert. Es ist nicht alles Schwarz und Weiß. Oder es funktioniert zu 100% oder eben gar nicht. Es gibt auch eine Welt dazwischen. Ich kann aber auch beide Seiten verstehen. Die alten Assekuranzhasen, die genervt sind, dass jede Woche ein Start-Up mit Dudelmusik in einem 2-Minutenvideo auf einer bunten Internetseite mit Fake-Kundenstimmen die Weltherrschaft ausruft - also Weltherrschaft im Sinne von, dass die jetzt alle Versicherungen und alle Kunden bedienen und alle anderen Marktteilnehmer schön nach Hause gehen können. Aber auch die Leute, die in kleinen flexiblen Unternehmen auf der grünen Wiese anfangen "Versicherung" neu denken zu wollen und dabei versuchen eingefahrene Geschäftsprozesse eben nicht nur digital zu kopieren. Die wollen natürlich auch nicht nur negatives Feedback von Besitzstandswahrern hören.

Ich persönlich würde mir von beiden Seiten aber etwas Zurückhaltung wünschen. Den alten Versicherungsfuzzis könnten etwas weniger Beißreflex an den Tag legen und die Start-Up-Hipster etwas weniger laut "trommeln". Der zweite Schritt auf dem Geschäftsplan muss nicht zwangsläufig "Weltherrschaft" sein - auch wenn der Plan der Investoren das so vorsehen mag. Es wird überall nur mit Wasser gekocht. Bestimmte Techniken werden sich durchsetzen, andere nicht. Teilweise adaptiert von alteingesessenen Marktteilnehmern, teilweise von den Erfindern, also den jungen Unternehmen, die sich etabliert haben. Aber das heißt nicht, dass diese alteingesessenen Marktteilnehmer morgen den Markt verlassen müssen, weil ein Start-Up irgendwo im Internet eine Bühne bekommen hat - denn die bekommt man ja schon, wenn man unfallfrei eine Internetseite online gestellt hat. Das heißt aber auch nicht, dass sich eben jene alten Marktteilnehmer zurücklehnen können. Natürlich muss man sich weiterentwickeln.

Fast jeden Artikel zum Thema "Versicherung & Digitalisierung" empfinde ich übrigens als Bullshit-Bingo. Das ist oft eine schlimme Mischung aus heftig.co-Überschriften, einer Ansammlung von Buzzwords und vor allem wenig Sachverstand. Was genau soll hier nochmal „Big-Data“ sein? Was ist jetzt ein „digitales Produkt“? Auch bei künstlicher Intelligenz wird stets so getan, als wenn der T-1000 die Buchhaltung macht. Dass es zuvorderst neuronale Netze sind, die wiederkehrende Aufgaben erledigen und Prozesse in der Versicherungswirtschaft verbessern können, wird kaum erwähnt. Ebenso wenig, dass die schon längst in der Schaden- bzw. Leistungsbearbeitung (Bilderkennung bei Schadenfotos in Verbindung mit Textanalyse der Schadenmeldung/Leistungsanforderung bzw. der Rechnung) laufen.

Auf ans Werk!

Da das ja eine laufende Artikelserie sein soll, mal eine Liste der bisher erschienen Beiträge:


tl;dr: Gegenstandsversicherungen sind für Privatkunden i.d.R. nicht sinnvoll. Sie sind verhältnismäßig teuer und die Versicherungssummen sind oft so gering, dass der Aufbau einer Liquiditätsreserve die bessere Alternative ist.

Wir als Versicherungsmakler tummeln uns jeden Tag auf diversen Nachrichtenseiten für die Versicherungsbranche. Und fast jeden Tag lesen wir von jungen Unternehmen, die mit oder ohne Kooperation mit einer alteingesessenen Versicherung die Welt... äääh Marktherrschaft ausrufen - meistens wird jedoch mit einer Versicherung kooperiert, da ja irgendwer der Risikoträger sein muss. Bevor wir als kleiner zynischer Versicherungsmakler traurig unser Firmenschild abschrauben und das Gewerbe abmelden, weil wir gegen die hippen Disruptoren chancenlos sind, schauen wir uns den Kram also mal an und sehen nach, was dahintersteckt. Im zweiten Teil der Artikelserie geht es also um eine Armbanduhrenversicherung:


Foto + "Magie" = Versicherung

Ich, Jan Voss, starte meine kleine Reihe also einmal mit folgendem Artikel. Ein gemeinsames Produkt einer Versicherung, der Basler, und zwei Startups. Eines hat die Internetseite gebaut... Irre. Und das andere die Fotoerkennungssoftware. An der Stelle sei einmal angemerkt, dass das schon mehr Informationen in einem Artikel sind, die man sonst so bekommt. Liegt aber nicht am guten Journalismus, sondern der Tatsache, dass das alles so in der Pressemitteilung der Basler steht (03.09.2020: Link ausgetauscht, da die Basler die Pressemitteilung auf der eigenen Seite gelöscht hat). Seufz. Also, um was geht es? Der Kunde macht ein Foto seiner teuren Armbanduhr und kann diese dann gegen Diebstahl und Beschädigung versichern. Fertig!

Moment, wirklich? So einfach? Nicht ganz. Die erste Hürde ist schon einmal, dass Nachrichtenseiten so gut wie nie externe Links setzen, damit man auch ja nicht die Seite verlässt. Eine kurze Onlinerecherche... ok, gut... Google... später bin ich auf dieser Seite (03.09.2020: Toten Link aktualisiert):

Dann bieten Mira und Marco "The Machine" an, dass ich meine Armbanduhr versichern kann. Marco ist dabei die künstliche Intelligenz. Mira der Robo-Advisor. Klingt schräg, wa? Also: "Künstliche Intelligenz" meint hier ein neuronales Netz für Bilderkennung - in dem Fall Fotos von Armbanduhren. "Robo-Advisor" habe ich hinzugedichtet, weil der Begriff immer wieder in den Nachrichten der Versicherungsbranche fällt. Das ist oft eine Internetseite, auf der man sich durch eine gewisse Logik klicken kann und am Ende Produkt A oder B kauft/abschließt. Ja nachdem, was die Klickstrecke anhand der Eingaben so auswirft. Oder man wird ganz rausgeschmissen, wenn man die Anforderungen nicht erfüllt. In diesem Fall etwa, wenn die eigene Armbanduhr unter 200 CHF gekostet hat. Aber zurück zu Mira und Marco.

Nun soll ich ein Foto meiner Uhr hochladen. Ich habe keine Uhr. Also klaue ich mir Fotos von irgendwelchen Leuten aus "Uhrenforen", die ihre Rolex oder welche Uhr auch immer fotografiert haben. Ich lade 10 Bilder hoch und Marco sieht sich die Fotos an.

Und?

Marco "The Machine" versagt. Keine der 10 Uhren wird erkannt. Ist auch irgendwie logisch. Wenn die Software zur Bilderkennung auf einem neuronalen Netz basiert, muss das angelernt werden um gut zu funktionieren. Ohne diesen Lernprozess bekommt man keine brauchbaren Ergebnisse. Das ist etwa so, als wenn man einen Dreijährigen bittet, die Relativitätstheorie zu erklären - einigermaßen hoffnungslos. Wenn die Software keine Daten zum Lernen bekommt, sieht das ganze Unterfangen also sehr düster aus. Und wir reden hier von sehr vielen Daten. Nicht Hunderte. Eher Tausende bis Millionen. Und ob genug Leute da Fotos hochladen und vor allem weitere Infos (Modell, Preis) hinzufügen, damit der dreijährige Marco irgendwann zum Uhrenexperten wird?

Nun gut... Handarbeit, weil Marco in seiner aktuellen Form nicht weiterhelfen konnte: Hersteller der Uhr? Modell? Preis?

Was soll versichert sein? Naja. Alles, was geht?

Laufzeit?

Nun wird Marco gelobt oder getadelt.

Was in lustigen GIFs resultiert. Das hier kommt, wenn Marco versagt. Haha.

Und das hier, wenn Marco richtigliegt. Wieder Haha. Also eigentlich nur, wenn man auf "Top!" geklickt hat. Es wird nicht geprüft, ob Marco "The Machine" jetzt tatsächlich korrekt gearbeitet hat. Wenn man also mit dem Versagen von Marco zufrieden ist, kann man den fröhlichen Mann auch so triggern.

Alles noch einmal zusammenfassen.

Hier Vertragsbedingungen... Klick schon!

So, zahlen. Dann bin ich fertig. Hab auch schon keine Lust mehr...


Moment mal!

Ich habe mich jetzt mit zunehmendem Tempo durch den gesamten Prozess geklickt. Was fiel mir auf? Und klammern wir Marcos Versagen einmal aus, da es ja irgendwie nicht seine Schuld ist:

  • Was negativ auffällt ist, dass sich nach der Prämienfindung auf einmal eine Selbstbeteiligung hineinschummelt. Kann man auch mal übersehen. Bis zu einem Uhrenwert von 2.000 CHF sind das übrigens 50 CHF und ab einem Uhrenwert von 2.000 CHF sind es 200 CHF. Das ist schon, je nach Uhrenpreis, recht heftig. Fast 10% Selbstbeteiligung bei einer Uhr knapp über 2.000 CHF.
  • Und was ist eigentlich versichert? Es wird von "Diebstahl" und "Beschädigung" gesprochen. Bei der Stelle mit den Produktinformationen und den Vertragsbedingungen, soll man aber nur fix die 4 Haken setzen und dann zur Kasse gehen. So zumindest mein Eindruck. Dabei sind die Bedingungen nur eine halbe Seite lang. Versichert ist dort die "Unvorhergesehene und plötzliche Beschädigung oder Zerstörung aller Art durch äussere Einwirkung" sowie der "Verlust durch Diebstahl". Kein Versicherungsschutz besteht für "Verlieren, Abhandenkommen", "Schäden infolge von Abnützung". Ausgeschlossen wird auch, wenn diese von einem Dritten, einem Uhrmacher etwa, kaputt gemacht wird, wenn die Uhr in dessen Obhut war. Und die vorsätzliche Beschädigung ist natürlich ebenfalls ausgeschlossen. Versichert ist aber der Neuwert bis maximal zur Versicherungssumme - allerdings nur, wenn man eine Quittung vom Kauf der Uhr hat.
  • Und der Preis ist auch irgendwie hoch. Bei 2.500 CHF Versicherungssumme werden 70 CHF im Jahre aufgerufen - oder weniger bei einem 3-Jahresvetrag. Aber wir bleiben mal bei der Jahresprämie. Das sind 2,80% Prämiensatz. Die Versicherungssumme von 2.500 CHF x 2,80% Prämiensatz ergeben 70 CHF Jahresprämie. Zum Vergleich: Eine Hausratversicherung mit sehr guten Bedingungen kostet in Karlstadt bei 65.000 Euro Versicherungssumme rund 70 Euro im Jahr. Das ist ein Prämiensatz von 0,11% - und bei der Hausratversicherung wäre die Armbanduhr als Wertgegenstand ja auch versichert gewesen. Zumindest gegen die Gefahren Feuer, Leitungswasser, Einbruchdiebstahl und Sturm/Hagel - ja nach Tarif bis zu gewissen Grenzen und in gewissen Situationen (Krankenhausaufenthalt, Schiffskabine,...) sogar bei einfachem Diebstahl.
  • Statt einer pauschalen Haushaltsbetrachtung, wird jeder Gegenstand einzeln versichert. Das ist aus emotionaler Sicht nachvollziehbar. Der Kunde fokussiert sich auf einen für ihn wertvollen Gegenstand, versichert den und kann das Thema dann als abgehakt in den mentalen Schrank packen. Allerdings vergisst er dabei alle anderen Dinge, die bei der pauschalen Betrachtung auch mitversichert gewesen wären. Aber: Teilweise fließt bei diesen Gegenstand-/Spezialversicherungen tatsächlich eher eine Leistung, da mehr Tatbestände versichert sind. Das ist jetzt nicht wirklich neu und kennt man im Gewerbebereich seit langem. Etwa bei der Elektronikversicherung, bei der man etwa Schäden durch Bedienfehler versichern kann. Allerdings sind auch die günstiger zu haben als die Armbanduhrenversicherung. Beim gleichen Versicherer, der Basler, kann man als Arzt etwa Büro- und Diagnosegeräte für 200.000 Euro im Rahmen der Elektronikversicherung für rund 1.100 Euro im Jahr versichern. Das sind 0,55% Prämiensatz.
  • Aber: Ich kam durch die Klickstrecke, ohne große intellektuelle Hürden nehmen zu müssen. Sofern ich eine Uhr hätte, hätte ich die also relativ easy online versichern können, ohne einem Mitarbeiter einer Versicherung oder einem Versicherungsvertreter bzw. -makler auf den Senkel zu gehen - oder die mir. Hier gibt es einen Pluspunkt.

"Versicherung" als emotionales Erlebnis...

Was ist also das Ziel von solchen Produkten? Dr. Jürg Schiltknecht, CEO der Basler Versicherungen Deutschland, lässt sich wie folgt zitieren (03.09.2020: Link ausgetauscht, da die Basler die Pressemitteilung auf der eigenen Seite gelöscht hat): „Versicherungen basierend auf Foto-Erkennung sind ein Schritt in die Zukunft. Bisher war der Versicherungsprozess nie emotional – wir versuchen das mit der Foto-Erkennung sowie einem unterhaltsamen Verkaufsprozess zu ändern.".

Jo, danke. Unterhaltsamer und emotionaler Verkaufsprozess bei Versicherungen, wa? Genau mein Ding. Lenkt auch gar nicht vom eigentlich vernünftigen Fokus bei Versicherungen ab. Rationales Denken. Das ist wie der Straßenmagier, der mit seiner linken Hand herumfuchtelt, damit er mit der rechten Hand etwas verschwinden lässt.

Aber gut... Nehmen wir mal an, dass ich Spaß hatte. Jetzt habe ich meine Armbanduhr versichert und wäre 70 CHF los. Allerdings habe ich noch anderen Kram in der Wohnung stehen. Soll ich jetzt mein Handy auch extra versichern? Oder meinen Esstisch? Soll ich beim nächsten Pulloverkauf fragen, ob die eine Versicherung dafür haben? Nein, verdammt!


Das Ganze kostet weniger als die Summe seiner Teile

Ist ja schön, dass Versicherungen sich modern geben, aber was ist denn das Resultat dieser Herangehensweise? Mal von der Abwesenheit von Personal abgesehen: Die Modularisierung von Produkten. Statt einem Produkt A, bei dem alle risikoerheblichen Leistungsinhalte enthalten sind, wird das Produkt aufgeteilt. Dann gibt es nur noch Produkt B mit Zusatzpaket 1, Zusatzpaket 2 und Zusatzpaket 3. Oder eben ganz viele kleine Produkte C bis Z, die eben nicht "einmal alles", sondern nur genannte Objekte versichern. Würde man mit diesen Gegenstand-/Spezialversicherungen der Absicherung des gesamten Hausrats (insbesondere im Hinblick auf die Versicherungssumme) auch nur nahekommen wollen, wäre die Summe der zu zahlenden Prämie wesentlich höher, als bei einer althergebrachten pauschalen Absicherung. Und damit wären wir final beim Ziel der Versicherer angekommen. Geld verdienen - mit teuren Produkten, die geringe Leistungsrisiken in Form von sehr niedrigen Versicherungssummen und/oder einem überschaubaren Set von Leistungsauslösern haben. Und damit das nicht so auffällt, braucht man eben einen emotionalen und unterhaltsamen Verkaufsprozess.


tl;dr: Die eigene Fahrweise hat kaum Einfluss auf den Nachlass im Telematiktarif.

Also Gamification sieht anders aus. So richtig beeinflussen konnte ich, Jan Voss, den Score des Telematiktarifs „ Securedrive" (mittlerweile offline) der Itzehoer Versicherung noch nicht. Im Grunde wird alles von der offenbar unpassenden Tageszeit, den Straßen oder der Bevölkerungsdichte hinuntergerissen. Ob man jetzt besonders vorsichtig, gleichmäßig und gemütlich fährt, ist fast egal. Update: Sonntags 10 Uhr gibt 100 Punkte bei der Uhrzeit.


Langsam, vorsichtig... pfff

Aktuell sieht mein Scoreboard so aus:

Da sind jetzt diverse Kurzstreckenfahrten sowie ein paar Autobahnfahrten am Wochenende dabei. Das Bemerkenswerte ist, dass die Werte nicht das volle Spektrum belegen, sondern sich stets zwischen 80 und 100 Punkten einpendeln. Zur Erinnerung:

  • "Fahrweise - Die Fahrweise fließt mit 33 Prozent (davon Beschleunigungs-, Brems- und Lenkverhalten jeweils 11 Prozent) in Ihre Fahrqualität ein und hat damit größten Einfluss aller Parameter. Starkes Beschleunigen, extremes Bremsen sowie rasante Lenkmanöver haben einen negativen Einfluss auf die Berechnung Ihrer Fahrweise. Die Messwerte Beschleunigung, Bremsverhalten und Lenkverhalten werden gleich gewichtet.
  • Geschwindigkeit - Die Geschwindigkeit geht mit 17 Prozent in Ihre Fahrqualität ein. Für den Parameter Geschwindigkeit ist es entscheidend, wie sich Ihre gefahrene Geschwindigkeit zur geltenden Geschwindigkeitsbegrenzung verhält.
  • Straßentyp - Mit 20 Prozent fließt die Wahl des Straßentyps in Ihre Fahrqualität ein. Der Parameter Straßentyp spiegelt die Wahl Ihrer befahrenen Straßen wider. Da Autobahnen die geringste Unfallwahrscheinlichkeit aufweisen, ist die Fahrt dort am sichersten, wohingegen innerorts häufiger Unfälle passieren. Im Folgenden finden Sie die Kriterien für den Parameter Straßentyp, angefangen mit dem sichersten: Autobahn, Bundesstraße, Landstraße, Innerorts
  • Tageszeit - In Ihrer Fahrqualität findet die Uhrzeit mit 25 Prozent Berücksichtigung. Auch die Uhrzeit, zu der Sie unterwegs sind, spielt bei der Berechnung Ihrer Fahrqualität eine Rolle. Generell kann man sagen, dass Nachtfahrten als auch Fahrten im Berufsverkehr risikoreicher sind als Fahrten zu anderen Tageszeiten.
  • Bevölkerungsdichte - Die Bevölkerungsdichte wird mit 5 Prozent in Ihrer Fahrqualität berücksichtigt. Wo eine hohe Bevölkerungsdichte herrscht, da fahren auch viele Autos. Entsprechend steigt mit der Bevölkerungsdichte auch die Unfallwahrscheinlichkeit.“

Eine defensive Fahrweise führt auf einer 10 km langen Strecke zu einem Score von 90 bis 100. Donuts auf dem Acker und 50 Stundenkilometer auf dem privaten Feldweg inkl. durchdrehender Reifen und starkes Bremsen pendeln sich bei der gleichen Strecke so bei 80 bzw. 85 Punkten ein. Faszinierend.

Bei der Geschwindigkeit ist das alles plausibler. Hier hält man sich an die Geschwindigkeitsbegrenzungen und wird mit einem Wert von 95 bis 100 Punkte belohnt.

Straßentyp und Bevölkerungsdichte sind die deprimierendsten Werte, da kaum beeinflussbar. Klar, in Karlstadt ist die Bevölkerungsdichte immer gut, dafür der Straßentyp oft mies.

Die Tageszeit ist aber der schlimmste Wert von allen. Bis jetzt habe ich noch nicht herausgefunden, was eine "gute Zeit" wäre. Im Grunde reißt alleine dieser Score den Gesamtwert stets nach unten, weil der Wert eigentlich immer bei der 80 Punktemarke herumlungert - und ich fahre nicht einmal in den Hauptverkehrszeiten, da ich nicht pendle.


Berechne Wert. Bitte warten.

Worauf wird der Telematiktarif also wohl hinauslaufen? 10% Nachlass, da ich nicht zur Arbeit pendle. Ansonsten wären es wohl 5% Nachlass oder eben gar keiner. Ob man jetzt besonders vorsichtig fährt, ist nach meiner bisherigen Beobachtung eigentlich egal, da die anderen Werte die Fahrweise mehr oder weniger unwichtig machen.

Nachtrag: Jop, 10% waren es.


Kein wirklicher Beitrag jetzt. Wir wollten nur mal höflich darauf hinweisen, dass wir bewusst nur Versicherungen "machen". Ist auch komplex genug, wenn man sich Mühe gibt. Nebenschauplätze wie Stromvergleich oder ähnliche Dinge gehören unserer Meinung nach nicht in das Versicherungsmaklerbüro. Wir sehen das bei Kollegen auch eher als Warnsignal bzw. Negativsiegel. Oder denken Sie öfter "Mmh, Kfz-Werkstatt, Metzgerei UND Änderungsschneiderei! Perfekt!"?

Nicht falsch verstehen. Wenn Sie uns Dinge fragen, die nicht direkt etwas mit Versicherungen zu tun haben, bekommen Sie wahrscheinlich auch eine vernünftige Antwort, sofern das unser Erfahrungshorizont hergibt. Das ändert aber nichts daran, dass wir Versicherungsmakler sind und eben ausschließlich Versicherungsmakler.


tl;dr: Rationales Abwägen der persönlichen Risikosituation sowie der möglichen Schadenhöhe ist sinnvoller als ein emotionaler Verkaufsprozess.

Die meisten Versicherer bei Verstand setzen den Fokus ihrer werblichen Aussagen auf die zu schützenden Objekte. Das Haus, das Auto, die Familie. So lässt sich viel leichter ein angenehmes Verkaufsgespräch starten, als wenn man bereits mit dem Säbel gerasselt und die brutalsten Unfallbilder aus dem Giftschrank geholt hätte. "Sehen Sie hier? Bein ab. Keine schöne Sache. Aber 120.000 Euro aus der Unfallversicherung bekommen. Auch irgendwie geil, oder?"

Das sieht dann so aus:

  • Generali Krankenzusatzversicherung -> "Der zusätzliche Gesundheitsschutz für gesetzlich Versicherte"
  • Axa Unfallversicherung -> "Ein sicheres Leben, das versichern wir Ihnen"
  • Allianz Risikolebensversicherung -> "Optimaler Schutz für Ihre Familie"
  • Ergo Wohngebäudeversicherung -> "Der richtige Schutz für Ihre vier Wände"

Achso, "Schutz", "Sicherheit", "BlaBla". Versicherungen schützen Sie oder Ihre vier Wände nicht. Versicherungen sind keine Bodyguards und keine Brandschutzmaßnahmen. Sie sorgen nur etwa dafür, dass das Haus nach einem Feuer wieder aufgebaut werden kann. Es legt sich auch kein blau schimmernder schützender Schleier um Sie und Ihr Hab und Gut, denn die Risikosituation ist mit und ohne Versicherung die gleiche. Nur eben einmal mit größeren direkten oder indirekten finanziellen Folgen für Sie und einmal mit weniger bis gar keinen.


Alles doof

Da eine Versicherung naturgemäß eigentlich nur mit negativen Ereignissen im Leben eines Menschen zu tun hat, fällt die Kommunikation also schwer. Der Umgang mit positiven Werbebotschaften ist auch erstmal nicht ungewöhnlich. Das Problem ist, dass sich der Startpunkt eines solchen Beratungs- bzw. Verkaufsgesprächs auf einer eher emotionalen Ebene befindet. Und der Versicherungsvertrieb wird i.d.R. auch keine Anstalten machen, diese Ebene zu verlassen. Wenn es ganz schlecht läuft, dann werden dem Kunden in dieser faktenarmen Situation (unnötige) Servicebausteine oder Assistanceleistungen vermittelt, die günstig für den Versicherer sind, aber teuer für ihn. Dabei werden oft von externen Dienstleistern Leistungen wie ein Fahrdienst zur ReHa in der Unfallversicherung, ein Einkaufsservice, eine "psychologische Unterstützung" oder eine "Pflegeberatung" vermittelt. Oder der Werkstatt-Service bei der Kfz-Versicherung, der eigentlich eine Werkstattbindung ist. Im Grunde jeder Leistungsbaustein, den man so anhaken kann und der das Wort "Service" als Bestandteil hat, sollte zumindest einmal höflich hinterfragt werden.

Broschüren, Flyer und Leistungsübersichten mit allem, was das Fotoarchiv so hergibt (fitte Senioren, glückliche Paare, lachende Kinder, ...), werden also gesichtet und der Kunde dann "geschützt", also versichert, entassen. Danach schauen sich die wenigsten Kunden das Produkt jemals wieder genauer an. Oder anders ausgedrückt: Wer mit einem guten Gefühl aus einer Beratung herausgeht, ist nicht zwangsläufig auch gut versichert.


Es kann etwas passieren...

Das Schöne bei Versicherungen ist, dass die wirklich spürbaren Schaden- bzw. Leistungsfälle sehr selten sind. Im Zweifelsfall wird der Kunde also nie erfahren, ob er jetzt verhältnismäßig gut oder schlecht versichert war. Der Deckungsumfang des Versicherungsprodukts wird in der Realität eher selten geprüft. Der Kunde weiß nur, dass er so eine Versicherung hat. Das Thema ist damit erledigt.

Bei einer Versicherung geht es aber um Statistiken, um Schaden- und Leistungswahrscheinlichkeiten, um die Güte der Bedingungen (also auch wieder Wahrscheinlichkeiten) und um eine nachhaltige Prämienkalkulation. Und natürlich um die Frage, wie viel Prämie man für wie viel Deckungsumfang eintauschen kann, um möglichst viele Schaden- und Leistungsfälle in einer ausreichenden Absicherungshöhe versichert zu haben. Die Aufgabe der Versicherer ist es dann, die hineinkommenden Prämien und die herausgehenden Leistungen auszubalancieren. Unsere Aufgabe ist es, die Prämien mit dem gebotenen Deckungsumfang der Produkte am Markt mit Blick auf die Schaden- und Leistungsstatistiken zu überprüfen, ins Verhältnis zu setzen und unseren Kunden eine Empfehlung auf Basis ihrer Risikosituation zu geben.


... ist aber unwahrscheinlich

Was bleibt abschließend zu sagen? Konzentrieren Sie sich ruhig einmal auf die Fakten, das "Was wäre, wenn?", also auf die möglichen Schadenfälle. Die wirklich fiesen Dinge, die ihnen so widerfahren könnten. Wäre das versichert? Und jenes? Statistisch gesehen, bleiben Sie mit großer Wahrscheinlichkeit ohnehin verschont und es ist daher ein recht gefahrloses Gedankenexperiment. Hier muss also eigentlich gar nichts von Werbebroschüren oder Verkäufern weggelächelt werden.

Denn: Versicherungen machen das Leben nicht schöner, aber manchmal, also im Schaden- bzw. Leistungsfall, etwas weniger beschissen.